Die Tabellen des Statistischen Bundesamts sprechen eine klare Sprache. Die Hälfte der zehn häufigsten Todesursachen sind Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems. Angeführt wird diese Liste von der chronisch-ischämischen Herzkrankheit, also der lang anhaltenden Durchblutungsstörung des Herzmuskels, direkt gefolgt vom Herzinfarkt. Die Herzschwäche, die Herzkrankheit als Folge eines zu hohen Blutdrucks sowie Vorhofflimmern und Vorhofflattern sind die drei anderen Krankheiten in dieser Top-10-Liste. In Deutschland sterben jährlich etwa 340.000 oder knapp 40 Prozent aller Menschen an den Folgen von Gefäßerkrankungen.
Zuletzt überarbeitet April 2020
Die klassischen Risikofaktoren sind: Rauchen, Bewegungsmangel, unausgewogene Ernährung, Übergewicht und Diabetes. Werden die Risiken rechtzeitig erkannt, lässt sich das gesundheitsgefährdende Verhalten positiv verändern und Ausbruch oder Fortschreiten der Krankheit oftmals verhindern. Um diese Risiken zu erkennen, genügt dem Arzt oft schon ein Tropfen Blut.
Zur Früherkennung bieten die gesetzlichen Krankenkassen eine umfangreiche Gesundheitsuntersuchung an. Im Alter zwischen 18 und 34 Jahren können Versicherte sich einmalig dem sogenannten Gesundheits-Check-up unterziehen. Ab dem 35. Geburtstag haben alle Krankenversicherten alle drei Jahre ein Anrecht auf die Gesundheitsuntersuchung. Dieses Vorsorgeangebot sollte jeder Krankenversicherte nutzen, weil dabei auch gezielt nach Frühstadien von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie von Diabetes mellitus gefahndet wird. Neben der körperlichen Untersuchung werden Labortests des Blutes zum Fettstoffwechselprofil und Glukose sowie des Urins auf Eiweiß, Glukose, Nitrit sowie rote und weiße Blutkörperchen durchgeführt.
Neben diesen Standarduntersuchungen gibt es weiterführende Laboruntersuchungen, mit denen sich frühzeitig mögliche Funktionsstörungen des Herzens oder der Gefäße feststellen lassen. Sie gehören nicht zu den Vorsorgeleistungen der gesetzlichen Krankenkassen und werden deshalb von ihnen nicht finanziert. Besteht jedoch ein begründeter Krankheitsverdacht, dann zahlt auch die Krankenkasse solche zusätzlichen Labortests.
Verursacht oder zumindest begünstigt werden diese lebensbedrohlichen Erkrankungen durch Arteriosklerose, einer Verhärtung der Blutgefäßwände, die im Volksmund als Gefäßverkalkung bekannt ist. Sie entwickelt sich über Jahre hinweg aus Verletzungen der innersten Arterienwandschicht und verursacht letztlich die Einlagerung kalkartiger Substanzen in den Gefäßwänden, die sogenannten Plaques.
Plaques engen den Blutfluss nicht nur ein. Wachsen die Ablagerungen weiter, kann es zu einem völligen Verschluss der Arterie kommen. Lösen sie sich aus Körperarterien und verstopfen Herzkranzgefäße, dann droht ein Herzinfarkt. Legen sie den Blutfluss durch die großen Halsarterien zum Kopf lahm, erleidet der Betroffene einen Schlaganfall.
Hinter allen Phasen der Arteriosklerose stecken entzündliche Prozesse. Die Messung von Entzündungsmarkern, die schon lange vor akuten Problemen im Blut nachweisbar sind, hilft daher, Risikopatienten zu identifizieren.
Beim Herzinfarkt wird der Herzmuskel durch Sauerstoffmangel infolge des Verschlusses eines oder mehrerer Herzkranzgefäße unumkehrbar geschädigt. Das Risiko, innerhalb von zehn Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden, lässt sich heute nach dem PROCAM-Score näherungsweise ermitteln. Diese Risikoberechnung wurde auf Basis der Prospective Cardiovascular Münster Study, einer Beobachtungsstudie der Universität Münster zur Entwicklung von Herzinfarkten, entwickelt.
Hierzu ist die Bestimmung des oberen Blutdruckwertes sowie des Blutzuckers und der Blutfette LDL-Cholesterin, HDLCholesterin und der Triglyzeride notwendig. Weiterhin werden Alter, Geschlecht, Rauchgewohnheiten, Infarktfälle naher Verwandter sowie eine bestehende Zuckerkrankheit in die Berechnung einbezogen. Durch die Erhebung dieser Faktoren werden jedoch bei weitem nicht alle Personen mit hohem Risiko erfasst. Denn zwei Drittel aller Herzinfarkte treten bei Menschen auf, die rechnerisch nur ein geringes oder mittleres Risiko aufweisen. Um solche Personen ausfindig zu machen, hat die labormedizinische Forschung Zusatzuntersuchungen entwickelt.
Unter den Labortests zur Abschätzung des Herzinfarktrisikos sind Blutfette und Blutzucker die wichtigsten.
Lebensnotwendig in Maßen
Das bekannteste Blutfett ist das Cholesterin. Es kommt vor allem als LDL-Cholesterin (Low Density Lipoprotein) und HDL-Cholesterin (High Density Lipoprotein) vor. Ohne Cholesterin können wir nicht leben. Es ist ein wichtiger Bestandteil der Zellmembranen. Hat man zu viel LDL-Cholesterin im Blut, kann es sich in den Gefäßwänden ablagern; sie „verkalken“, es entsteht Arteriosklerose. Im Unterschied zu den LDL können die HDL das Cholesterin wieder aus den Gefäßen lösen und es zur Leber zurückschaffen.
Ungesund in hoher Konzentration
Neben dem Cholesterin gibt es noch die Neutralfette, die Triglyzeride. Übersteigt ihre Konzentration im Blut die Normalwerte, kann dies ein weiteres Risiko für eine Gefäßverkalkung darstellen. Von erhöhten Triglyzeriden sind vor allem Menschen mit Diabetes, Übergewicht, Gicht und Bluthochdruck betroffen.
Wichtige Vorboten
Weil Cholesterin und Triglyzeride in Wasser nicht löslich sind, werden sie im Blut von Lösungsvermittlern umhüllt. Hierzu dienen unter anderem Eiweißstoffe, die sogenannten Apolipoproteine. Die wichtigsten sind die Apolipoproteine A-I und B. Das Apolipoprotein A-I ist Teil der HDL und stellt damit einen Schutzfaktor dar. Niedrige Spiegel zeigen ein hohes Risiko an. Das Apolipoprotein B kommt im LDL vor. Eine besondere Aussagekraft hat das Verhältnis von Apolipoprotein B zu Apolipoprotein A-I. Ist es hoch, so ist auch das Risiko für die Verkalkung der Herzkranzgefäße hoch. Lipoprotein (a) ist ein Komplex aus LDL und dem Apolipoprotein(a). Lp(a) ist ein unabhängiger Risikofaktor für Arteriosklerose, wobei dessen Gefährlichkeit bei bereits bestehender koronarer Herzkrankheit zuzunehmen scheint. Die Bestimmung des Lp(a) ist vor allem bei Personen mit koronarer Herzkrankheit sinnvoll. Da es kaum möglich ist, Lp(a) durch Diät oder mit Medikamenten abzusenken, müssen die übrigen Risikofaktoren (LDL-Cholesterin, Bluthochdruck) gut eingestellt werden.
Diabetes steigert Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Auch die Messung des Blutzuckers ist unverzichtbar, denn die Zuckerkrankheit birgt eines der höchsten Risiken für Arteriosklerose und Herzinfarkt. Bei zuckerkranken Männern erhöht sie das Risiko etwa zweifach, bei zuckerkranken Frauen sogar dreifach.
Das Homocystein ist eine schwefelhaltige Aminosäure. Unter normalen Bedingungen wird es im Körper rasch ab- oder umgebaut und so unschädlich gemacht. Ein Anstieg des Homocysteins geht mit einer deutlichen Erhöhung des Herzinfarktrisikos einher. Ist es erhöht, so müssen die anderen beeinflussbaren Risikofaktoren besonders intensiv angegangen werden. Zudem kann ein hohes Homocystein sehr früh auf einen klinisch bedeutsamen Mangel an Folsäure und B-Vitaminen hinweisen.
Da die Arteriosklerose mit Entzündungen im Gefäßsystem einhergeht, können bereits geringfügige Erhöhungen des Entzündungsmarkers C-reaktives Protein (CRP) ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte anzeigen. Wenn man das C-reaktive Protein mit besonders empfindlichen Nachweisverfahren im Blut misst, spricht man vom „hochsensitiven“ hs-CRP. Die Entzündungen entstehen oft viele Jahre vor dem Auftreten wirklich lebensbedrohlicher Gefäßveränderungen. Daher sind sie mit dem hs-CRP schon in einem frühen Krankheitsstadium erkennbar.Das C-reaktive Protein (CRP) ist ein unspezifischer Marker für Entzündungsprozesse, es kann also auch dann erhöht sein, wenn sich eine Entzündung nicht in der Gefäßwand, sondern in anderen Organen abspielt.
Typische Beschwerden einer Herzschwäche – medizinisch wird die nachlassende Pumpleistung als Insuffizienz bezeichnet – sind abnehmende körperliche Belastbarkeit, Atemnot, Müdigkeit und Schwächegefühl sowie Wassereinlagerungen, sogenannte Ödeme, die meist an den Unterschenkeln entstehen. Wird das Herz stärker als normal gedehnt, setzt der Herzmuskel sogenannte „natriuretische Peptide“ frei. Sie haben die Aufgabe, durch eine Steigerung der Salz- und Wasserausscheidung und durch eine Aufweitung der Gefäße den Herzmuskel zu entlasten. Die Messung dieser Peptide, im Wesentlichen BNP (brain natriuretic peptide) oder NT-pro-BNP (ein stabiles Fragment des BNP), im Blut liefert frühe Hinweise auf Funktionsstörungen, wie sie als Folge einer Minderdurchblutung des Herzmuskels bei koronarer Herzkrankheit auftreten können. Erhöhte Werte sollten in jedem Fall durch einen Herzspezialisten abgeklärt werden.
Diese Labortests werden nur dann von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt, wenn ein konkreter Krankheitsverdacht vorliegt. Gesundheitsbewusste, die auf Nummer sicher gehen wollen, müssen diese Tests selbst finanzieren. Der Arzt muss vor der Untersuchung darüber aufklären, auf die Kosten hinweisen und einen schriftlichen Behandlungsvertrag abschließen.