Der serologische Nachweis einer akuten oder durchgemachten Infektion durch Bakterien oder Viren mit Hilfe von Antikörpertests ist in der Diagnostik lange etabliert. Expert*innen sind sich einig: Antikörpertests können auch beim Management der Corona-Pandemie eine wesentliche Rolle spielen. Das gilt etwa für die Diagnostik – mehr noch jedoch für die Entwicklung effizienter Impfstrategien, auch hinsichtlich der Booster-Impfungen.
Stand: Januar 2022
Der serologische Nachweis einer akuten oder durchgemachten Infektion durch Bakterien oder Viren mit Hilfe von Antikörpertests ist in der Diagnostik lange etabliert. Antikörpertests können hilfreich sein bei der Entscheidung, ob die Auffrischung einer Impfung notwendig ist (z. B. vor Reisen ins Ausland), für den Nachweis, ob tatsächlich eine Infektion stattgefunden hat (z. B. bei Krankheitssymptomen nach einem Zeckenbiss) oder bei akuter Infektionssymptomatik zum Nachweis einer frischen Infektion.
Durch die Corona-Pandemie sind Antikörpertests jetzt stärker ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Um einer vierten Corona-Welle zu begegnen, setzen Gesundheitspolitiker*innen unter anderem auf die sogenannte „Booster-Impfung“. Sie soll den Impfschutz aufrechterhalten bzw. stärken. Expert*innen sind sich einig: Antikörpertests können auch beim Management der Corona-Pandemie eine wesentliche Rolle spielen. Das gilt etwa für die Diagnostik – mehr noch jedoch für die Entwicklung effizienter Impfstrategien, auch hinsichtlich der Booster-Impfungen.
Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten – das Immunsystem des Organismus hat viel zu tun, damit wir gesund bleiben. Antikörper helfen dabei. Das Immunsystem setzt sie ein, um Krankheitserreger zu bekämpfen und zu neutralisieren.
Antikörper bestehen aus Eiweißmolekülen, in der Fachsprache Immunglobulin (Ig). Antikörper schützen den Organismus gewissermaßen „on demand“: Sie werden von bestimmten Zellen, den B-Lymphozyten, gebildet, sobald diese mit Antigenen – Zellbestandteilen von Erregern – in Kontakt kommen. Zu jedem Antigen passt ein spezieller Antikörper, der das Antigen binden kann. Vorteil: So kann das Immunsystem ganz präzise auf die Vielzahl an Eindringlingen reagieren.
Der menschliche Organismus produziert verschiedene Antikörper. Diese werden von einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen – den B-Zellen – gebildet, sobald der Körper einen eingedrungenen Erreger erkannt hat. Der Bauplan der Antikörper wird für eine bestimmte Zeit in „Gedächtniszellen“ gespeichert, so dass bei einem erneuten Kontakt mit dem Erreger schneller neue Antikörper gebildet werden können. Für Tests auf Infektionen sind vor allem drei Arten interessant.
Besonders effektiv schützen neutralisierende Antikörper gegen Infektionen. Diese Antikörper hindern etwa ein Virus daran, in eine Zelle einzudringen und sie zu infizieren. Sie unterbinden damit die Vermehrung des Virus. Neutralisierende Antikörper stellen eine Untergruppe der Antikörper dar, die bei einer Infektion erzeugt werden.
Im Grunde passiert bei Impfungen nichts Anderes als bei einer Infektion: Der Organismus kommt in Kontakt mit Erregern, das Immunsystem bildet Antikörper zur Abwehr. Allerdings läuft die Reaktion deutlich kontrollierter ab, da der Körper auf abgetötete oder abgeschwächte Krankheitserreger reagiert, die die Erkrankung nicht auslösen. Im Falle der innovativen mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 wird der künstlich erzeugte „Bauplan“ eines virustypischen Merkmales (bei SARS-CoV-2 ist es das „Spike“-Protein) mit der Impfung übermittelt. Für das Bilden von Antikörpern genügt dieser Kontakt. Wie viele Antikörper ein Organismus nach einer Impfung bildet, ist sehr individuell und hängt vom Gesundheitszustand, Alter und anderen Faktoren ab. Labormediziner*innen können die Konzentration von Antikörpern im Blut mit Hilfe von Antikörpertesten bestimmen. Die Bestimmung der Antikörper-Konzentration bzw. des sogenannten Immunstatus kann wichtige Informationen liefern. Denn damit lässt sich z.B. kontrollieren, ob eine Impfung erfolgreich war oder eine weitere Impfung bzw. eine Auffrischungsimpfung nötig ist
Kontrolle nach der Impfung
Das Robert Koch-Institut empfiehlt eine Antikörper-Bestimmung für alle Menschen, die eine Impfung gegen Hepatitis B erhalten. Der Test soll 4 bis 8 Wochen nach der letzten Dosis der Grundimmunisierung stattfinden. Je nach Ergebnis kann es nötig werden, die Impfung zu wiederholen.
Vortestung auf Antikörper
Das Robert Koch-Institut rät bestimmten Personenkreisen zur Impfung gegen Hepatitis A. Bei einigen von ihnen sollte vor der Impfung der Status der HAV-Antikörper untersucht werden. Dies gilt für Menschen, die vor 1950 geboren wurden, sowie für Personen, bei denen bereits ein Verdacht auf Hepatitis A besteht bzw. bei Menschen, die längere Zeit ohne Impfung in Gebieten gelebt haben, in denen Hepatitis A verbreitet ist.
Tests bei Frauen mit Kinderwunsch
Eine Infektion mit Röteln und Windpocken in der Schwangerschaft kann für das Ungeborene lebensgefährlich sein. Da in der Schwangerschaft nicht gegen Röteln und Varizellen (Windpocken-Erreger) geimpft werden kann, muss der Immunstatus vorher geklärt werden. Expert*innen raten daher Frauen mit Kinderwunsch und unklarem Impfstatus zu einem Antikörpertest.
Auf der Suche nach Borreliose-Erregern
Zecken übertragen die Erreger der Borreliose. Allerdings können in der frühen Phase einer Erkrankung häufig noch keine Antikörper nachgewiesen werden, was die Entscheidung hinsichtlich einer Antibiotikagabe erschwert. Hier können neue Tests, welche auch die zelluläre Immunantwort einbeziehen für die frühe Diagnose einer Borreliose hilfreich sein. Auch Jahre nach dem Zeckenstich können Betroffene noch Krankheitssymptome entwickeln. Da diese meist unspezifisch sind, gehören Tests auf typische Antikörper gegen Borrelien zur Ursachenforschung. Zunächst einmal geht es darum zu klären, ob das Immunsystem überhaupt schon einmal Kontakt mit dem Krankheitserreger hatte. Bestätigt ein Antikörpersuchtest den Kontakt, lassen sich die Antikörper mit weiteren Blutuntersuchungen noch genauer bestimmen.
Grundsätzlich kann das Immunsystem Antikörper gegen ganz unterschiedliche Bestandteile eines Erregers bilden. Studien zeigen: Beim Erreger SARS-CoV-2 eignet sich vor allem das Spike-Protein – der Eiweißbestandteil, der die kleine „Krone“ auf der Hülle des Virus bildet – als Grundlage für aussagekräftige Antikörpertests.
Auf dem Spike-Protein befindet sich die Region, mit der das Virus an die Zelle bindet. Neutralisierende Antikörper werden insbesondere gegen das Spike-Protein gebildet, um ein Andocken des Virus an die Zelle zu verhindern. Damit eignen sich Tests, welche das Spike-Protein verwenden, sehr gut zum Nachweis der neutralisierenden Antikörper.
Antikörpertests auf den Covid-19-Erreger suchen ganz gezielt nach den typischen Antikörpern (Immunoglobuline), die der Organismus gegen SARS-CoV-2 bildet. Als Probenmaterial dient Blut aus den Venen. Der Antikörpertest dient als indirekter Nachweis, denn er erfasst die Reaktion des Körpers auf die Infektion. Er eignet sich aber nicht, um eine akute Erkrankung zu diagnostizieren. Das geht deutlich besser, schneller und verlässlicher mit PCR-Tests – diese weisen die Viren direkt nach. Die Bildung von Antikörpern beginnt in der akuten Phase der Infektion. Antikörpertests sind daher insbesondere geeignet um eine durchgemachte Infektion festzustellen. Sie können auch Antworten darauf geben, wie und ob Immunität aufgebaut wird oder wie lange Immunität andauert, sowohl nach einer durchgemachten Infektion als auch nach einer Impfung.
Antikörper haben – vereinfacht gesagt – die Form eines Ypsilons. Die Enden der beiden kurzen Arme sind so gestaltet, dass sie sich mit ihrem Gegenspieler, dem Antigen, verbinden können – wie ein Schlüssel, der nur in ein Schloss passt. Beim Antikörpertest werden Antigene im Labor mit einer Blutprobe zusammengebracht.
Enthält die Blutprobe Antikörper, docken sie mit den beiden kurzen Armen an die in die Blutprobe eingebrachten Antigene an. Im nächsten Schritt wird alles außer den Antigen-Antikörper-Verbindungen entfernt. Anschließend kommt eine zweite Art von Antikörpern hinzu: Sie docken an dem noch freien, langen Bein der Y-förmigen Antikörper an. Außerdem besitzen sie eine sichtbare Markierung – je nach Testart zum Beispiel eine Farbmarkierung oder ein leuchtendes Molekül.
In einem weiteren Detektionsschritt werden alle nicht gebundenen Antikörper entfernt. Danach zeigt sich das Ergebnis. Eine starke Färbung oder ein intensives Leuchten zeigen, dass die Probe viele der gesuchten Antikörper enthalten hat. Fällt das Ergebnis geringer aus, waren wenige oder gar keine Antikörper vorhanden.
Spezielle Labortests nutzen die Antigen-Antikörper-Reaktion
pdf158 KB 28.08.2020
Wie viele Infektionen gibt es? Wirkt die Impfung noch? Wie steht es um den individuellen Impfschutz von Risikopatient*innen? Ist es schon Zeit für die Booster-Impfung? All diese Fragen sind für das Management der Corona-Pandemie wichtig. Antikörpertests auf den COVID-19-Erreger tragen dazu bei, wichtige Antworten zu bekommen: Sie ermöglichen die individuelle Erfolgskontrolle der Impfung und schaffen somit Vertrauen. Bei einer bereits durchgemachten Infektion lassen Antikörpertests Schlussfolgerungen zu, ob eine Impfung oder Zweitimpfung erforderlich ist. Für immunsupprimierte Personen oder Menschen mit schlechter Immunkompetenz liefern Antikörpertests entscheidende Hinweise darauf, ob das Impfschema individuell angepasst werden muss.
Nach wie vor verlaufen viele Covid-19-Infektionen unentdeckt. Das macht es schwieriger, die Größe akuter Ausbrüche abzuschätzen oder die tatsächliche Verbreitung der Infektion in der Bevölkerung zu überwachen. Liegen solche Daten vor, lassen sich Maßnahmen gegen die Pandemie verbessern. Gezielte Antikörpertests tragen dazu bei, Erkrankungen auch zu erkennen, wenn sie ohne Symptome verlaufen. Tatsächlich empfehlen viele Staaten wie Italien, Frankreich und Großbritannien Antikörpertests, etwa um die Verbreitung von Corona-Infektionen in der Bevölkerung besser einzuschätzen oder ihre Impfstrategien zu verbessern. In Deutschland führt das Robert Koch-Institut aktuell drei Studien durch, um das Infektionsgeschehen insgesamt besser zu verstehen.
Molekulare Testverfahren oder der Nachweis von Virusantigenen geben Aussagen über die akute Infektion bei Auftreten von Symptomen und manchmal noch 1–2 Wochen nach Abklingen der Symptome (bei Vorhandensein von Rest-Virus-RNA ohne eine messbare Viruslast). Diese Testverfahren geben aber keine Auskunft über vergangene, eventuell symptomlos verlaufene SARS-CoV-2-Infektionen. Hier kann die Antikörpertestung zur Klärung beitragen und damit die Auswahl des adäquaten Impfregimes vorgeben.
Die Corona-Impfung schützt gegen eine Infektion und kann schwere Verläufe von Covid 19 verhindern. Allerdings muss der Impfschutz nach einiger Zeit aufgefrischt werden. Bei Menschen, die eine Covid-19-Infektion durchgemacht haben, empfiehlt sich zudem ein anderes Impfschema als das für bisher nicht von einer Infektion Betroffenen.
Hat man eine symptomlose Covid-19-Infektion überstanden oder kann man sich nicht an leichte grippeähnliche Symptome in den letzten 8 Wochen erinnern, hilft die Bestimmung des Immunstatus und der Nachweis von Antikörpern, mit einer einmaligen Impfung einen optimalen Schutz gegen schwere Covid-19-Verläufe oder Tod durch die Infektion zu erreichen, da das Immunsystem stark auf das in der Impfung verwendete Antigen reagiert. Wichtig ist hierbei, die Impfung innerhalb von 6 Monaten durchzuführen, da eine symptomlose Infektion nur zu niedrigen Antikörpertitern mit einem relativ kleinen Schutzpotenzial führt.
Vor einer weiteren Impfung ist es sinnvoll, den Antikörpertiter zu bestimmen und dann zusammen mit den Hausärzt*innen unter Berücksichtigung klinisch relevanter Kriterien (Alter, Immunsuppression, Tumorerkrankung, durchlebte Erkrankung durch Infektion mit SARS-CoV-2, Lebenssituation) eine Entscheidung für den Zeitpunkt einer Booster-Impfung festzulegen.
Da nicht alle Infektionen mit SARS-CoV-2 symptomatisch verlaufen, kann es sein, dass eine durchgemachte Infektion anhand von vorhandenen Antikörpertitern gefunden wird. Ist dies der Fall, kann eine Impfung mit einer Dosis Impfstoff ausreichend sein, um einen Schutz gegen schwere oder tödliche Erkrankungen mit SARS-CoV-2 herzustellen. Werden keine Antikörper gefunden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass noch kein ausreichender Viruskontakt für eine Infektion stattgefunden hat. Hier wäre für den individuellen Schutz eine Impfung mit zwei Dosen Impfstoff notwendig.
Aus Studien weiß man, dass Reinfektionen (Durchbruchinfektionen) bei zweifach Geimpften oder auch bei Genesenen dann passieren, wenn die Immunantwort bei einer Infektion (geringe Symptomatik oder symptomlos) bzw. nach Impfung gering ausgeprägt war. Zur Risikominimierung ist es hilfreich, nach der Impfung und auch nach einer leichten Erkrankung eine Antikörperbestimmung durchzuführen und bei niedrigen Antikörpertitern über ein verändertes Impfschema nachzudenken.
Nicht nur beim Management von Booster-Impfungen, auch bei den Erstimpfungen können Antikörpertests wichtige Informationen geben, um den Impferfolg zu verbessern. Inzwischen belegen Studien eindrücklich, dass Impfungen vor allem bei älteren Menschen sowie Menschen mit chronischen Erkrankungen oder unterdrücktem Immunsystem (etwa Menschen mit transplantierten Organen oder an Krebs Erkrankte) nicht immer wie gewünscht anschlagen. Für die Betroffenen heißt das: Sie besitzen keinen oder keinen ausreichenden Schutz vor einer Covid-19-Infektion. Hier helfen Antikörpertests, mit denen Labormediziner*innen den sogenannten Antikörpertiter bestimmen.
Bei dem Verfahren wird eine Blutprobe so lange verdünnt, bis sich gerade noch Antiköper nachweisen lassen. Diese Verdünnungsstufe wird als „Titer“ bezeichnet. Er zeigt, ob eine ausreichende Menge an Antikörpern gebildet wurde. Zwar gibt es noch keinen eindeutigen Grenzwert. Allerdings können Mediziner*innen bereits recht genau abschätzen, welche Antikörperkonzentration zu niedrig liegt, um effektiv gegen eine Covid-19-Infektion zu schützen.
In Österreich gibt es bereits eine Empfehlung zur Antikörpertiterkontrolle. Sie gilt für Menschen mit Immunsuppression. Bei ihnen soll frühestens vier Wochen nach der zweiten Impfung mittels Labortests der Antikörpertiter bestimmt werden. Je nach Ergebnis kann dann ein individuelles Impfschema festgelegt werden, um den Impfschutz doch noch zu steigern.
Ja. In Studien konnte gezeigt werden, dass die Antikörperspiegel nach 6 – 8 Monaten beginnen können abzufallen. Man geht davon aus, dass bei diesem Abfall auch die Titer der neutralisierenden Antikörper niedriger werden. Ist dies der Fall, sollte man über eine Auffrischungsimpfung nachdenken.
Diese Menschen sind aufgrund des Zustandes ihres Immunsystems häufig nicht in der Lage, eine adäquate Schutzwirkung gegen Infektionen aufzubauen. Häufig reicht dann auch eine einzelne Impfung nicht aus und man muss über veränderte, individuelle Impfschemata (z. B. Zwei- und Dreifachimpfung, veränderte Impfzeitpunkte) nachdenken. Hier sind die Kenntnis des Antikörperstatus vor einer Impfung und die Überprüfung des Impferfolges mittels Antikörpertests besonders wichtig. Zusätzlich muss man in dieser Gruppe auch die zelluläre Immunantwort kontrollieren.