Hepatitis C (HCV) betrifft je nach Schätzung zwischen 300.000 und 500.000 Menschen in Deutschland, ist jedoch bei den wenigsten diagnostiziert. In einer Studie untersuchte Prof. Dr. Kramer, Beirat des IPF, Facharzt für Labormedizin und Innere Medizin und ärztlicher Leiter sowie Geschäftsführer des LADR Laborverbundes Dr. Kramer & Kollegen, mit einem LADR-eigenen Team und Kooperationspartnern, ob es sinnvoll sein kann, Labortests auf Hepatitis C in die Präventionsleistung Gesundheits-Check-up aufzunehmen. Gemeinsam mit seinem Team beantwortet der IPF-Experte Fragen rund um die Studie.
Über die Studie
Die Studie ist durch eine Kooperation zwischen der Südstadtpraxis Paderborn, Herrn Dr. Wolffram, der Universität Leipzig, Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Sektion Hepatologie, dem
Clinical Trial Centre der Universität Leipzig (ZKS Leipzig) und dem LADR Zentrallabor in Geesthacht entstanden. Sie ist unter dem Titel Prevalence of elevated ALT values, HBsAg, and anti-HCV in the primary care setting and evaluation of guideline defined hepatitis risk scenarios im Journal of Hepatology erschienen.
Leider gibt es keine verlässlichen Zahlen über die Häufigkeit von Hepatitis C-Erkrankten in der Bevölkerung. Wir kennen also nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs. Das bedeutet aber auch: Nur wenige Hepatitis C-Infizierte bekommen eine Therapie, die heute zum größten Teil Heilung bedeutet. Nur wenn zukünftig deutlich mehr Hepatitis C-Infektionen möglichst frühzeitig diagnostizierten werden, können diese Patienten von den hervorragenden Heilungschancen profitieren. Daher untersuchten wir in der Studie die Frage: Können durch einfache Laboruntersuchungen oder über anamnestische Angaben bereits in der hausärztlichen Vorsorge die Anzahl der erkannten Hepatitis C-Infektionen erhöht werden
Da wäre zunächst die Häufigkeit von Hepatitis C zu nennen. Die sogenannte Prävalenz der HCV-Infektion lag in unserer Studie höher als Experten vom Robert Koch-Institut sie zum damaligen Zeitpunkt eingeschätzt hatten. Es wird sogar angenommen, dass die Infektion noch häufiger auftritt. Ein Beispiel: Bei männlichen Immigranten konnten wir eine Prävalenz von 2,1 Prozent feststellen. 80 Prozent dieser Betroffenen hatten jedoch noch keine Diagnose erhalten. Zum zweiten hat unsere Studie gezeigt: Es reicht nicht aus, den Gesundheits-Check-up einfach um eine Untersuchung des GPT-Wertes zu ergänzen. GPT bezeichnet ein Enzym, dessen Wert vor allem bei Leberschäden ansteigt. Aber: Viele HCV-Infektionen lassen sich nicht allein über Leberwerterhöhungen finden. Nur 35 Prozent der Patienten, bei denen wir in der Studie HCV festgestellt haben, hatten einen erhöhten GPT-Wert. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass es sinnvoller ist, Labortests mit einer ausführlichen Anamnese zu verbinden. Die Kombination aus GPT-Erhöhung und anamnestischen Angaben laut Leitlinien (Drogengebrauch, Blutproduktgabe vor 1992, Herkunftsland) erhöht signifikant die Aufdeckung von Hepatitis C-Infektionen bereits in der hausärztlichen Praxis.
Ein Großteil aller Patienten nutzt irgendwann einmal die hausärztliche Praxis. Darum können wir dort viel mehr Patienten erreichen als in der fachärztlichen Versorgung. Über ein einfaches Screening auf Hepatitis C können wir vermeintlich gesunde Patienten herausfiltern. Das ist wichtig: Eine Lebererkrankung kann zu Beginn relativ lange ohne Symptome verlaufen. Das erklärt auch, warum die Labordiagnostik für die Früherkennung so eine große Bedeutung hat.
Ohne Therapie führt die chronische Hepatitis C-Infektion nach Jahren zum Leberzellkrebs oder zur Leberzirrhose – beides Erkrankungen, die sich erst in einem sehr späten Stadium mit Symptomen bemerkbar machen. Dazu kommt: Noch vor kurzem war Hepatitis C nur bei einem Teil der Patienten heilbar, viele Betroffene erkrankten trotz Diagnose an den bereits erwähnten Folgen. Durch die neuen Therapiemöglichkeiten besteht jetzt Aussicht auf Heilung für einen Großteil der Erkrankten
Das Screening bedeutet, in der Vorsorge nach bestimmten Risikofaktoren zu fragen. Darum sollte es bei jedem Patienten in den Gesundheits-Check-up integriert werden. So können Ärzte diejenigen Patienten identifizieren, die einer Risikogruppe angehören. Das gilt vor allem für Patienten, bei denen die Risiken Drogengebrauch (früher und/oder heute), Gabe von Blutprodukten vor 1992 und/oder Migrationshintergrund bereits bekannt sind. Diese sollten auf jeden Fall auf Hepatitis C getestet werden.
Menschen, die sich Drogen spritzen, sind tatsächlich die wichtigste Risikogruppe. Bewusst machen muss man sich aber: Bereits ein einziger Versuch mit Drogen, die man sich irgendwann einmal gespritzt hat, kann die Eintrittspforte für das Hepatitis C-Virus sein. Außerdem wissen viele Patienten nicht, dass auch Blutprodukte – dazu zählen auch Immunglobulingaben – vor 1992 als Infektionsquelle in Frage kommen. Da das Hepatitis C-Virus erst vor wenigen Jahrzehnten identifiziert wurde, konnten Blutspenden auch erst relativ spät auf dieses Virus untersucht werden. So konnte sich der Erreger über Blutprodukte verbreiten, ohne dass man es wusste. Auch der Verlauf der Hepatitis-Infektion selbst spricht dafür, alle Patienten ins Screening einzubeziehen. Die Leber verursacht bei einer Hepatitis C-Infektion keine Schmerzen. Die Betroffenen fühlen sich relativ wohl, können das Virus aber in sich tragen und verbreiten, zum Beispiel durch Schwangerschaften auf das eigene Kind. Eine entsprechend gesteuerte labormedizinische Früherkennung ist also äußerst sinnvoll, wenn die Anamnese einen Risikofaktor ergibt.
Ganz zu Unrecht hängt der Leberinfektion ein Schmuddel-Image an. Dabei reicht schon eine unabsichtliche Nachlässigkeit beim Stechen des neuen Tattoos oder eine unsterile Akupunkturnadel, um sich anzustecken. Wie bei vielen anderen Erkrankungen gilt auch für Hepatitis C: Früh erkannt, liegen die Heilungschancen besonders hoch. Medizinische Fachgesellschaften und Experten fordern daher immer wieder, Labortests auf Hepatitis C in die Kassenleistungen für regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen aufzunehmen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) im September 2016 damit beauftragt, Nutzen und Kosten für ein Hepatitis C-Screening zu bewerten.