Bedeutung des NGS für die Diagnostik

DiG sprach mit der Humangenetikerin und Forscherin Dr. med. Dr. rer. nat. Saskia Biskup und ihrem Mann Dr. Dirk Biskup. Beide haben 2009 in Tübingen die CeGaT GmbH gegründet. Als Dienstleister im Bereich der Medizin und Bio-Technologie bietet die CeGaT die Entschlüsselung von Erbinformationen und die medizinische Interpretation der Daten an.

Dem Unternehmen war es  weltweit als Erstem gelungen, die humangenetische Diagnostik und die Hochdurchsatzsequenzierung, eine neue Methode zur Analyse des Erbgutes, zu verbinden. Die CeGaT wurde dafür mit dem deutschen Gründerpreis als bestes Start-Up Unternehmen 2011 ausgezeichnet.

Was ist NGS?

Next Generation Sequencing (NGS) ist eine moderne und leistungsfähige Technologie, die dazu dient, die Erbinformation (DNA) eines Lebewesens zu entziffern. Entziffern (oder Sequenzieren) bedeutet, dass die Basenabfolge (die Basen sind A, C, G und T) einzelner Gene, mehrerer Gene oder auch die des gesamten Genoms bestimmt wird. Das Genom des Menschen besteht aus rund 3 Mrd. Basen, moderne NGS-Maschinen entziffern bis zu 1.000 Mrd. Basen in einem Lauf.

Anwendungen in der Medizin

NGS eignet sich speziell für die Untersuchung von heterogenen Erbkrankheiten, welche durch Veränderungen in zahlreichen Genen verursacht werden können. Dies trifft zum Beispiel auf Tumorerkrankungen, Epilepsien oder auch neuromuskuläre Erkrankungen zu.

Für diese Fragestellung wurden die sogenannten Diagnostik-Panels von der CeGaT entwickelt. Dabei ermöglicht die Nutzung der NGS-Technologie die gleichzeitige Sequenzierung und damit Analyse aller möglicherweise krankheitsverursachenden Gene, was sich in einer deutlich erhöhten Aufklärungsrate niederschlägt. Ist eine klinische Diagnose gesichert, ist es in vielen Fällen möglich, eine Prognose über den Krankheitsverlauf zu geben oder eine zielgerichtete Untersuchung weiterer Familienangehöriger anzubieten. Des Weiteren kann der Arzt auf Basis der gestellten Diagnose frühzeitig eine gezielte und passende Therapie für den jeweiligen Patienten auswählen.

Die Bedeutung der frühzeitigen Diagnose einer Erkrankung lässt sich am konkreten Fall einer Tumorpatientin mit Brustkrebs (Mamma-Ca) verdeutlichen. Bei der Patientin erfolgte eine dreijährige Behandlung mittels Chemotherapie. Nach drei Jahren wurde eine Metastase in der Lunge entdeckt, die histologisch nicht als Mamma-Ca eingestuft und folglich anders behandelt wurde. Da beide Tumore trotz Chemotherapie ungebremst wuchsen, wurden bei der CeGaT der Primärtumor, die Lungenmetastase, eine Metastase des Mamma-Ca sowie das Normalgewebe mittels Tumor-Panel (551 tumorspezifische Gene) untersucht. Ergebnis: Die Chemotherapie gegen das Mamma-Ca konnte aufgrund der Genetik des Tumors nicht wirken, die Lungenmetastase geht auf denselben Primärtumor zurück und sollte wie das Mamma-Ca (und nicht wie ein CUP – Cancer of Unknown Primary) behandelt werden, die Chemotherapie gegen den Lungentumor konnte aufgrund der Genetik des Tumors ebenfalls nicht wirken. Es hätten zwar geeignete Medikamente zur Bekämpfung des Tumors zur Verfügung gestanden, diese wurden aufgrund der anfänglichen Nichtverfügbarkeit der genetischen Informationen aber nicht eingesetzt.


VDGH: Diagnostik im Gespräch 2/2014

Wie arbeitet die CeGaT GmbH?

Die CeGaT GmbH ist ein 2009 gegründetes Diagnostik-Unternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, bei Patienten die genetische Ursache einer Erkrankung zu finden. Dabei werden alle Schritte, vom Erhalt der Patientenprobe bis zum Versenden des medizinischen Befundes, in-house durchgeführt. Nach Probenaufarbeitung und Sequenzierung mittels NGS werden die generierten Daten bioinformatisch weiter verarbeitet und auf potentiell krankheitsverursachende genetische Veränderungen gefiltert. Die Ergebnisse werden über eine unabhängige Methode im Labor bestätigt und anschließend ausgewertet. Krankheitsverursachende genetische Varianten werden identifiziert und in einem medizinischen Bericht zusammengefasst.

Wie sieht die Zukunft aus?

Die NGS-Technologie wird aufgrund ihrer diagnostischen und ökonomischen Effizienz die herkömmliche Sanger-Sequenzierung über kurz oder lang ablösen. Beispielsweise sollte die beschriebene Tumor-Diagnostik erfolgen, und zwar ausschließlich mittels NGS, bevor Patienten chemotherapeutisch behandelt werden. Die NGS-Technologie wird aber auch bei zahlreichen weiteren Erkrankungen zur molekulargenetischen Diagnostik eingesetzt werden. Dies beschreibt beispielsweise auch das Bundesministerium für Gesundheit in dem Abschlussbericht NAMSE (Nationaler Aktionsplan für Menschen mit seltenen Erkrankungen). Trotz ihres enormen Nutzens für Patienten und Gesundheitssystem besteht in Deutschland derzeit keine Möglichkeit, die NGS-Technologie in der Diagnostik einzusetzen und abzurechnen – dies muss sich ändern.