Zur Entwicklung der Darmkrebsvorsorge: Darmkrebsvorsorge 2019

Professor Jürgen Riemann zieht eine erste Bilanz zum neuen Darmkrebscreening mit immunologischen Stuhltests. Der Internist und Gastroenterologe ist Vorsitzender der Stiftung Lebensblicke.

Vorsorge kann Darmkrebs verhindern

Darmkrebs gehört zu den ganz wenigen Erkrankungen, die sich durch Vorsorge, Entdeckung und Entfernung gutartiger Vorstufen verhindern lassen. Wird Darmkrebs durch Vorsorge früh erkannt, hat er eine sehr gute Prognose. An diesen Erkenntnissen hat sich in den letzten Jahren nichts Grundsätzliches geändert. Überraschend ist allerdings, dass sich trotz intensiver Aufklärung die Teilnahmerate an der Darmkrebsvorsorge in den letzten Jahren nicht wesentlich erhöht hat. Neu ist der zunehmende Fokus auf der risikoadaptierten Darmkrebsfrüherkennung. Neue Studien haben gezeigt, dass nicht nur die familiäre Darmkrebsbelastung, sondern auch ein genetischer Risikoscore, kalkuliert aus spezifischen einzelnen Nukleotid-Polymorphismen (SNPs), zusätzliche Hinweise auf ein erhöhtes Darmkrebsrisiko geben können.

Männer schon ab 50 Jahren zur Darmkrebsvorsorge

Das seit 2002 geltende opportunistische Darmkrebsscreening ist endlich aufgrund der Empfehlungen des Nationalen Krebsplans in ein bundesweit organisiertes Einladungsverfahren überführt worden. Im Krebsfrüherkennungs- und Registergesetz (KFRG) werden u. a. die Rahmenbedingungen für das neue Darmkrebsscreening vorgegeben. Dieser Paradigmenwechsel hat auch eine größere Flexibilisierung der Altersgrenzen für das Screening zur Folge. Neu ist, dass Männer bereits mit 50 Jahren Anspruch auf eine Darmspiegelung haben. Die Stiftung LebensBlicke hatte einen früheren Vorsorgebeginn für Männer schon seit Jahren gefordert. Diese Neuerung ist Folge vieler wissenschaftlicher Daten der letzten Jahre. Neue Risikogruppen wie Menschen mit massiver Adipositas, metabolischem Syndrom und Diabetes Typ 2 könnten daher auch früher zur Vorsorge eingeladen werden, wenn sich ihr erhöhtes Darmkrebsrisiko weiter bestätigt. Da das KFRG erst im Juli 2019 in Kraft getreten ist, lässt sich noch nicht viel über seine Wirkung aussagen. Es ist zu hoffen, dass die Teilnehmerzahl steigt; denn die Zahlen für Neuerkrankungen und für Sterbefälle an Darmkrebs sind mit ca. 62000 respektive ca. 25000 pro Jahr immer noch erschreckend hoch.

Einladungsverfahren um digitale Angebote ergänzen

Bei allem Fortschritt ist dennoch Skepsis angebracht. Die persönliche Einladung ausschließlich per Brief durch die Krankenkassen ist für zahlreiche Menschen sicher nicht Motiv genug. Die umfangreichen Informationen, die eine informierte Entscheidung erleichtern sollen, sind zwar sachlich richtig, aber viel zu textlastig. Im Zeitalter der Digitalisierung sollte daher unbedingt auch über eine Diversifizierung der Einladungsangebote nachgedacht werden. Online-Testbestellungen wären für viele IT-affine Menschen sicher viel ansprechender. Es verwundert auch, dass das KFRG als wirklicher Fortschritt in der Darmkrebsfrüherkennung nicht von einer nationalen Kampagne zur Einführung begleitet worden ist. Die Nationale Dekade gegen den Krebs wäre ein solches Forum!

Neue Wege - mehr Akzeptanz?

Seit April 2017 gibt es die immunologischen Stuhlteste (FIT, iFOBT), die anstelle des alten Guajak-basierten Tests (gFOBT) eingesetzt werden. Die Erwartungen, dass diese empfindlicheren und leichter anzuwendenden Tests häufiger in Anspruch genommen würden, haben sich bisher nicht erfüllt. Publizierte Daten akkreditierter Labore zeigen eher Enttäuschendes. Offensichtlich ist es bisher nicht gelungen, gegenüber den Vorjahren eine Steigerung zu erreichen. Man muss sich also andere Wege überlegen, wie der neue FIT an Mann und Frau gebracht werden kann. Der Testversand mit der persönlichen Einladung durch Krankenkassen wäre ein Weg. Eine vom Bundesgesundheitsministerium im Rahmen des Nationalen Krebsplans geförderte Studie des DKFZ hat gezeigt, dass es funktioniert. Die Niederländer sind zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen und haben das hochrangig publiziert. Bei uns sieht ihn das KFRG trotz eines entsprechenden Vorschlags (noch?) nicht vor.

Darmkrebsvorsorge muss Thema bleiben

Deshalb sind auf jeden Fall noch Nachbesserungen am Krebsfrüherkennungs- und Registergesetz notwendig. Anspruchsberechtigte sollten verschiedene Möglichkeiten haben, die Darmkrebsvorsorge in Anspruch zu nehmen: neben Einladungen per Brief durch die Krankenkassen sollten online Anforderungen von den Krankenkassen, ein Testversand mit der Einladung durch Krankenkassen sowie eine einfachere, laiengerechte Aufklärung angeboten werden. Das KFRG sollte von einer nationalen Informationskampagne begleitet werden. Es wäre sehr enttäuschend, wenn die 2020 beginnende Projektevaluation keine deutlichen Verbesserungen zeigen würde. Das würde auch dem enormen Aufwand, mit dem das KFRG bisher verbunden war, nicht gerecht. Die Stiftung LebensBlicke wird auch in Zukunft dafür sorgen, dass das Thema Darmkrebsfrüherkennung auf der Tagesordnung bleibt.