Zum Stellenwert der NMR-Spektroskopie* in der Medizin: Biologisches Alter wird sichtbar

Mit der Analyse des Metaboloms aus einer Blut- oder Urinprobe lässt sich das biologische Alter eines Menschen feststellen. Wie dies funktioniert, erklärt Prof. Dr. med. Matthias Nauck, Leiter des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin an der Universitätsmedizin Greifswald und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL).

Die Prävention von Erkrankungen ist der Königsweg in der Medizin, allerdings müssen zu diesem Zweck Personen mit einem erhöhten Risiko zunächst einfach und zuverlässig identifiziert werden. Es ist hinreichend bekannt, dass neben angeborenen Faktoren die individuellen Lebensumstände dazu beitragen können, das individuelle Erkrankungsrisiko dramatisch zu erhöhen. Über die Erfassung des Metaboloms können beide Aspekte zusammengeführt werden, um so das Gesamtrisiko eines Individuums, auch auf subklinischer Ebene, zu erfassen.

Biologisches Alter

Das Metabolom ist die Gesamtheit kleiner Moleküle, so genannter Metabolite, in einer biologischen Probe. Durch die analytische Erfassung der Metabolite (Metabolomics), z.B. im Blut oder im Urin, lassen sich wertvolle Hinweise auf Stoffwechselsituationen individueller Personen gewinnen und es wird ein „metabolischer Fingerabdruck“ generiert.

Lebewesen verändern sich im Lauf ihres Lebens, was sich besonders gut an der Haut beschreiben lässt: Die glatte und elastische Haut eines Säuglings weist eindeutig andere Eigenschaften auf als die Haut eines Erwachsenen. Vergleichbare Veränderungen charakterisieren auch das Metabolom und lassen somit wichtige Rückschlüsse auf den Alters- und Gesundheitszustand der Personen zu.

Klassische Verfahren der Laboratoriumsmedizin sind nicht in der Lage, die Gesamtheit der kleinen Moleküle in Biomaterialien zu bestimmen. Dies kann nur über moderne spektroskopische Verfahren, wie die Massen- und die NMR-Spektroskopie (engl: nucelar magnetic resonance) gewährleistet werden. Die  NMR-Spektroskopie zeichnet sich durch eine extrem hohe Standardisierung und gleichbleibende analytische Qualität aus: die 1H-NMR-Spektren sind zwischen unterschiedlichen Geräten praktisch identisch, so dass Unterschiede zwischen Geräten und Zeitpunkten der Erfassung analytisch keine Rolle spielen, unabhängig davon ob hier Tage oder Jahre oder gar Jahrzehnte zwischen den Messungen liegen. Entsprechend bietet die Beschreibung von individuellen NMR-Spektren die Möglichkeit, biologische Veränderungen wie das Älterwerden geradezu ideal zu erfassen. Die Auswertung von NMR-Spektren kann entweder über die spezifische Erfassung von einzelnen Substanzen erfolgen oder das Spektrum als Ganzes im Sinne eines metabolischen Fingerabdruckes verwendet werden.

Weiterentwicklung der Diagnostik

Zudem ist  seit mehr als 100 Jahren bekannt, dass erhöhte Cholesterinkonzentrationen im Plasma dazu beitragen, kardiovaskuläre Erkrankungen zu entwickeln. Dabei kann das Risiko besser klassifiziert werden, wenn zusätzlich zum Gesamtcholesterin das LDL-Cholesterin (atherogen) und das HDL-Cholesterin (protektiv) bestimmt werden. In einer wissenschaftlichen Kooperation zwischen dem Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald und Life Science Research Technologie**  ist es gelungen, die medizinischen Informationen der Lipoproteinsubfraktionen aus den NMR-Spektren anhand einer 15 minütigen Messung zu erfassen, womit nun ein sehr leistungsfähiges Analysesystem zur individuellen Risikoabschätzung zur Verfügung steht, das Störungen im Fettstoffwechsel im Detail erfasst. In diesem Zusammenhang konnten auch Veränderungen des Metaboloms in Abhängigkeit der Schilddrüsenfunktionen nachgewiesen werden. Dies ermöglicht eine Weiterentwicklung in der Diagnostik von seltenen Schilddrüsenerkrankungen.

 

*www.baltic-analytics.de  |   **Bruker BioSpin