Reduzierte Immunantwort erhöht Infektionsrisiko
Seit 2015 sei aber eine starke Zunahme von gemeldeten Tuberkuloseerkrankungen in Deutschland zu beobachten gewesen, heißt es in einer Mitteilung des KKNMS. Da die reduzierte Immunantwort unter MS-Therapien mit einem potenziell erhöhten Infektionsrisiko einhergehe, habe man sich entschieden, Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der Tuberkulose herauszugeben. Bei einem positiven Testergebnis wird eine weiterführende Diagnostik zur Unterscheidung zwischen einer latenten und einer aktiven Tuberkulose notwendig. Ergeben sich Hinweise auf eine pulmonalen Tuberkulose, sollten mikrobiologische und molekularbiologische Untersuchungen folgen.
Empfehlungen in der Übersicht
Die Experten des KKNMS unterscheiden bei ihren Empfehlungen Therapien mit hohem, mittlerem oder ohne Tuberkulose-Reaktivierungsrisiko. Sie erfordern ein unterschiedliches Vorgehen:
1. Therapien mit hohem Tuberkulose-Reaktivierungsrisiko
Zu dieser Gruppe von Therapien zählen Alemtuzumab und Cladribin. Vor Beginn der Therapie sowie bei Cladribin auch vor Applikation des zweiten Zyklus muss eine Tuberkulose ausgeschlossen werden.
Hier schließen sich die Experten des KKNMS dem in der Fachinformation vorgegebenen Vorgehen an. Bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren könne eine Wiederholung der Testung auch vor weiteren Alemtuzumab-Zyklen erwogen werden. Dabei gilt zu beachten, dass das Testergebnis unter Immunsuppression nur eingeschränkt verwertbar sein kann.
2. Therapien mit mittlerem Tuberkulose-Reaktivierungsrisiko
Vor Beginn einer Therapie mit mittlerem Tuberkulose-Reaktivierungsrisiko komme der Bewertung des individuellen Risikos des einzelnen Patienten eine große Bedeutung zu, schreiben die Experten. Daher empfiehlt das KKNMS eine Tuberkulose-Testung für alle Patienten mit erhöhter individueller Risikosituation vor Beginn einer Therapie mit Teriflunomid, Fingolimod, Natalizumab, Dimethylfumarat, Mitoxantron und Ocrelizumab.
Als Risikofaktoren werden die folgenden Faktoren angesehen, wobei aktuell keine klare Gewichtung nach Art des Risikofaktors bzw. erhöhtem Risiko bei Vorliegen mehrerer Risikofaktoren gegeben werden kann: Immigration aus Ländern mit hoher Tuberkulose-Prävalenz, Leben in einem Risikogebiet (Großstadt), positive Familienanamnese für Tuberkulose, abgelaufene Tuberkulose in den letzten zwei Jahren, Nikotin-, Alkohol-, Drogenmissbrauch, BMI < 20, Vortherapie mit mehreren Immuntherapien, wiederholte Kortisonstoßtherapien, andere Gründe für Immunschwäche (z.B. Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz).
3. Therapien ohne Tuberkulose-Reaktivierungsrisiko
Unter Therapie mit Glatirameracetat und Interferon-beta ist nicht von einer Erhöhung des Risikos einer Tuberkulose-Reaktivierung auszugehen, sodass hier keine gesonderte Testung empfohlen wird.
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