Kein Patient ist wie der andere Personalisierte Medizin

Krebs ist nicht gleich Krebs – eine solche Differenzierung gilt zunehmend auch für viele andere Krankheiten. Moderne Technologien erlauben immer schnellere und vielschichtigere Analysen von Blut- oder Zellproben in einem kurzen Zeitraum. So wurden in den letzten Jahren rasante Fortschritte bei der Erforschung komplexer Erkrankungen gemacht. Biomarker wurden entdeckt, die auf genetische Mutationen, z. B. bei einem Tumor, hinweisen. Passgenaue Medikamente kommen seitdem zum Einsatz, die zielgerichtet in den Mechanismus der Erkrankung eingreifen. Diese „personalisierte“ Behandlung kann Patienten die Strapazen unnötiger Therapien ersparen.

Zuletzt überarbeitet Oktober 2021

Neue Perspektiven bei schweren Erkrankungen

Mehr Informationen geben Sicherheit

Biomarker sind messbare biologische Parameter (z. B. Proteine, Nukleinsäuren, Enzyme), die genetische und molekulare Besonderheiten eines Menschen aufdecken. Sie zeigen biologische Prozesse bei kranken und gesunden Menschen an. Deshalb können biomarkerbasierte Labortests wichtige Informationen zu Wirksamkeit (z. B. bei Krebs, Mukoviszidose, erhöhtem Cholesterin und Fettwertspiegel) oder Risiko von Nebenwirkungen eines Medikamentes (z. B. gegen Epilepsie, Multiple Sklerose) geben, noch bevor ein Medikament verabreicht wird.

Fortschritt durch Zellanalysen

Erfolge in der Personalisierten Medizin sind aber auch auf die sich ständig erweiternden Möglichkeiten der Gensequenzierung zurückzuführen. Lediglich eine Probe von Krebszellen ist nötig, um z. B. die exakte Beschaffenheit eines Tumors im Labor nachzuweisen.

Labortests begleiten das Medikament

Wissen, welches Arzneimittel wirkt

Labortests spielen in allen Feldern der Personalisierten Medizin eine entscheidende Rolle. Mit Hilfe der Diagnostik kann festgestellt werden, ob ein Patient auf eine Therapie ansprechen wird oder nicht. Die größten Fortschritte sind bisher im Rahmen der Arzneimitteltherapie zu verzeichnen: Durch therapiebestimmende Diagnostik lässt sich in zunehmendem Umfang die Anwendung von Arzneimitteln beim einzelnen Patienten optimieren. Labortest und Arzneimittel ergänzen sich. Die hierbei verwendeten Labortests werden als Companion Diagnostics (therapiebegleitende Diagnostika) bezeichnet. Derzeit sind für 84 dieser Wirkstoffe ein diagnostischer Vortest vorgeschrieben, für weitere 9 Wirkstoffe wird ein solcher Test empfohlen.  (Stand Oktober 2021)

Was Companion Diagnostics für Ärzte und Patienten leisten können

A) Patienten gezielter behandeln

Bei vielen Krebserkrankungen ist inzwischen mit Hilfe von Companion Diagnostics eine verbesserte Therapie möglich. Dank einer exakten Bestimmung des Tumortyps können zielgerichtet(e) Medikamente eingesetzt werden. Ein Beispiel ist die Testung der Konzentration des HER2-Proteins als Indikator für eine besonders bösartige Verlaufsform von Brustkrebs. So können Brustkrebspatientinnen bei Vorliegen einer hohen Konzentration von HER2 mit speziellen, hochwirksamen Medikamenten behandelt werden. Medikament und Vortest bilden hier ein „Tandem“, das stets zusammen zum Einsatz kommt. Neben Krebsarten wie Lungen-, Magen-, Darm- und Hautkrebs können Labortests auch bei anderen Indikationen eingesetzt werden, um bessere Therapieentscheidungen zu treffen. So ist der Einsatz verschiedener Arzneimittel gegen Mukoviszidose an die Identifikation von bestimmten Mutationen eines Gens gekoppelt.

B) Nebenwirkungen ermitteln

Nicht jeder Mensch verträgt ein Medikament gleich gut, bei manchen Patienten treten bei der Gabe von speziellen Wirkstoffen Nebenwirkungen auf. Mit Hilfe von Labortests kann in bestimmten Fällen das Risiko vor Abgabe eines Medikamentes ermittelt werden. So wird vor der Anwendung eines gewissen HIV-Präparats das Vorhandensein einer bestimmten Antigen-Variante getestet. Ist diese vorhanden, darf das Medikament aufgrund von möglichen schweren Nebenwirkungen nicht eingesetzt werden. Zur Bestimmung der Risiken von Nebenwirkungen werden Companion Diagnostics aber auch bei Arzneimitteln gegen Multiple Sklerose, Epilepsie und akuter lymphatischer Leukämie eingesetzt.

C) Verlauf prognostizieren

Unter Einsatz von Companion Diagnostics kann auch der Verlauf einer Erkrankung prognostiziert werden. Ein Beispiel sind Tests, die die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls nach einer erfolgreichen Brustkrebstherapie bestimmen können. Fällt dieser negativ aus, kann der Einsatz adjuvanter Chemotherapien vermieden werden.

D) Prävention und Früherkennung

Mit Labortests können auch Risiken für die Entstehung bestimmter Krankheiten eingeschätzt werden. Ein Beispiel sind Tests auf mutierte Formen des BRCA1-Gens bzw. des BRCA2-Gens zur Früherkennung von aggressivem Brust- bzw. Eierstockkrebs bei Frauen mit familiärer Vorbelastung. Bei Ermittlung eines erhöhten Risikos können präventive Maßnahmen vorgenommen werden.

Zukünftige Anwendungsgebiete

Die Identifizierung von krankheitsrelevanten Biomarkern zur Herstellung entsprechender Labortests ist eine anspruchsvolle und langwierige Aufgabe. Dennoch befinden sich derzeit
für eine Vielzahl von schwerwiegenden Erkrankungen Companion Diagnostics in der Entwicklung. Zu diesen Erkrankungen gehören Diabetes, Asthma, Rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew und Vorhofflimmern.

Was die Krankenkassen bezahlen

Erstattung von Companion Diagnostics

Die Situation bei der Erstattung von Companion Diagnostics hat sich in den letzten Jahren stark verbessert. Wurden früher mit der Zulassung eines Arzneimittels dazugehörige therapiebegleitende Diagnostika nicht automatisch durch gesetzliche Krankenkassen erstattet, so hat der Gesetzgeber inzwischen Regelungen formuliert, die eine Erstattung von Companion Diagnostics für neue Arzneimittel kurz nach deren Zulassung vorschreiben. Die gesetzlichen Krankenkassen sind dann verpflichtet, im Rahmen einer Therapie mit neu zugelassenen Arzneimitteln die dabei anzuwendenden Companion Diagnostics ebenfalls zu erstatten. Im Einzelfall sollte mit der Krankenkasse abgeklärt werden, ob sie weitere Tests auf freiwilliger Basis erstattet.

 

Im Bereich der tumorgenetischen Veränderungen (Onkologie) ist man sogar schon einen Schritt weiter: So werden seit dem
 1. Juli 2016 diagnostische Tests, mit denen bestimmte genetische Eigenschaften des Tumors sowie tumorgenetische Veränderungen nachgewiesen werden, vor dem möglichen Einsatz von entsprechenden Medikamenten von allen gesetzlichen Krankenkassen erstattet.